Forschungsschwerpunkte
Im Fokus der Forschung am Lehrstuhl stehen:
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Staatlichkeit im Werden - Die politische Welt Europas war noch nicht durch Staaten, aber durch Prozesse der Staatsbildung gekennzeichnet. Uns beschäftigt dabei, wie Staatlichkeit hergestellt und dargestellt wurde. Erforscht werden Praktiken und Performanzen auf den Mikroebenen von Politik und Recht, in formalen Verfahren und anderen administrativen Vollzügen. Aktuell gilt das Interesse der Ausdifferenzierung translokaler formaler Organisationen (englisch-britische Marine, East India Company) sowie territorialer Verwaltungen im Südwesten des Alten Reichs.
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Die Vielfalt der Außenbeziehungen - Die Frühe Neuzeit kannte kein internationales Staatensystem, sondern ein Geflecht von sehr unterschiedlichen Herrschern, Herrscherinnen und Korporationen, deren Ansprüche auf Souveränität oder politische Geltung vielfach erst noch ausgehandelt werden mussten. Dies geschah in der diplomatischen Praxis mit ihren instrumentellen, symbolischen und interkulturellen Dimensionen, die wir mit Blick auf Europa im 17. Jahrhundert und den Mittelmeerraum im 18. Jahrhundert untersuchen.
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Die Konstruktion und Sanktion politischer Kriminalität: In der Frühen Neuzeit sahen sich Herrscher und Obrigkeiten von Majestätsverbrechern, Aufständischen und Verrätern bedroht. Das war zum Teil richtig, zugleich aber auch das Resultat eines verschwörungstheoretischen Blicks auf die Welt. Wir erforschen, wie sich Verschwörungstheorien und Markierungen als 'Verräter', 'Verschwörer' oder 'Aufrührer' in Strafrecht und Strafrechtspraxis auswirkten, von den Bauernaufständen um 1500 bis zu Unruhen im frühkolonialem Indien um 1800. Zugleich wird untersucht, wie konspiratives Handeln unter den Bedingungen intensivierter obrigkeitlicher Beobachtung funktionierte.
Forschungsgruppe "Xenokratie"
Ziel der neuen Gruppe "Xenokratie vor Ort. Administration und kulturelle Verflechtung in der Vormoderne" ist es, eine auf die Vormoderne zugeschnittene Perspektive auf das viel diskutierte Phänomen fremder Herrschaft zu ermöglichen. Die DFG fördert das Vorhaben für die kommenden vier Jahre mit rund 2,5 Millionen Euro.
Die an der Forschungsgruppe beteiligten Forscherinnen und Forscher der Universität Münster, der Universität zu Köln und der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg richten zum einen den Blick auf die Lokalisierung xenokratischer Herrschaft, ihre Funktionsweisen, Modi der Vermittlung und Formen symbolischer Repräsentation vor Ort. Zum anderen beleuchten sie die Administration, ihre Vertreter und administrative Praktiken. In den sieben Teilprojekten werden Formen von Xenokratie im nordalpinen Europa, Lateinamerika, dem Mittelmeerraum, China und Indien erforscht. Disziplinär finden Expertinnen und Experten aus der Geschichte sowie Kunstgeschichte, der Koptologie, Sinologie und Papyrologie zusammen. Das ermöglicht eine vergleichende Untersuchung von geografischen Räumen und historischen Konstellationen, die selten gemeinsam diskutiert werden.
Sprecherin der Gruppe ist Prof. Dr. Ulrike Ludwig, Inhaberin des Lehrstuhls für die Geschichte der Frühen Neuzeit am Fachbereich Geschichte/Philosophie der Universität Münster.
Urbane Xenokratie als interaktives statebuilding: Madras 1639-1746
Das Freiburger Teilprojekt 07 wird mit Fort St. George/Madraspatnam (heute: Chennai) ein urbanes Gefüge als lokalen Raum von Xenokratie im 17. und frühen 18. Jahrhundert untersuchen. Dabei soll ein integrativer Zugriff verfolgt werden, indem Madras als vormoderner urbaner Kommunikations- und Resonanzraum verstanden wird. Gerichtsprozesse, ordnungspolitische Maßnahmen, Protestformen oder Ritualhandlungen waren Praktiken mit performativem Gehalt, die im städtischen Rahmen Öffentlichkeiten schufen. Diese waren wiederum Objekt zeitgenössischer Beobachtungen und Reflexionen, die durch Petitionen, Ratsprotokolle, Gerichtsakten, Diarien oder Reiseberichte dokumentiert wurden.
FRIAS-Gruppe: "Post-war Periods: Plurality – Temporality – Re/Constructions"
Prof. Dr. André Krischer ist Internal Fellow der neuen FRIAS-Projektgruppe "Post-war Periods: Plurality – Temporality – Re/Constructions". Die Projektgruppe erkundet Möglichkeiten der interdisziplinären Erforschung der Nachkriegszeit aus einer trans-epochalen und trans-kulturellen Perspektive. Eine historisch reflektierte Auseinandersetzung mit Nachkriegszeiten erscheint angesichts aktueller Debatten, insbesondere zum Ukraine-Krieg und zu den bewaffneten Konflikten im Nahen Osten, von hoher Relevanz.
Die Erforschung von Nachkriegszeiten konzentriert sich bislang auf die westliche Geschichte des 20. Jahrhunderts. Seit mehr als einem Jahrzehnt werden intensiv die ‚Nachkriege‘ des Ersten Weltkriegs und die militärische, wirtschaftliche und mentale Demobilmachung untersucht. In Deutschland steht ‚Nachkriegszeit‘ aber vor allem für die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg. Der Begriff fungiert als wichtige Referenz politischer Diskurse und der Erinnerungskultur. In deutlichem Kontrast hierzu steht die Vernachlässigung von Nachkriegszeiten in anderen Epochen. Diese Leerstelle hat maßgeblich dazu beigetragen, dass der Terminus der Nachkriegszeit bislang kaum als ein allgemeinerer Forschungsbegriff verwendet wird. Wie z. B. die Vereinbarungen des Westfälischen Friedens von 1648 umgesetzt wurden, wie die Übergangzeit von einem dreißigjährigen Krieg zum Frieden und die damit verbundenen Herausforderungen, Möglichkeiten und Gefährdungen wahrgenommen wurden, hat die Forschung bislang kaum beschäftigt. Dies gilt analog auch für viele andere Kriege (nicht nur) der Vormoderne. Die Kriegs- und Nachkriegszeiten des 20. und 21. Jahrhunderts wurden wiederum derart minutiös erforscht, dass die enorme Spezialisierung und Fragmentierung des Feldes den Blick auf nachkriegsübergreifende Zusammenhänge und Prozesse verstellt. Selbst die vergleichende Forschung zu den offensichtlich verflochtenen Nachkriegszeiten nach 1918 und nach 1945 hält sich in überraschend engen Grenzen.
Was daher aussteht, sind vergleichend und interdisziplinär ausgerichtete sowie theoretisch fundierte Ansätze zur Erforschung von Nachkriegszeiten in epochenübergreifender und transkultureller Perspektive, die den Fokus über die europäischwestlichen Erfahrungen des 20. und frühen 21. Jahrhunderts hinaus erweitern und die zugleich die Möglichkeit eröffnen, diese aus anderen und weiteren Blickwinkeln neu zu betrachten. Dazu möchten wir dazu auf theoretischer, konzeptioneller und begrifflicher Ebene die Grundlagen schaffen. Neben der Konstituierung eines neuen Forschungsfelds, das in vielfältiger Weise Interesse und Kompetenzen von Forschenden in Freiburg aufnimmt, erscheint eine historisch reflektierte Auseinandersetzung mit Nachkriegszeiten für aktuelle Herausforderungen von hoher Relevanz zu sein. In der Ukraine und im Nahem Osten prägen historische Erfahrungen mit Nachkriegszeiten die Erwartungen darüber, wie eine Nachkriegszeit aussehen kann und soll – und dies beeinflusst wiederum den Blick auf aktuelles Kriegsgeschehen, aber auch dessen Verlauf. (Projektbeschreibung)
Forschungsnetzwerk " Treason: A Global History"
The concept of ‘traitors’ has been a constant in human history, with the crime of treason viewed as the most heinous, prosecuted in most states from the ancient world until the present day. This crime usually involves a power struggle since treason means breaking a bond of loyalty owed to a state or community, challenging the existing order and often trying violently to overthrow it. This can occur in the domestic arena, or through allegiance with some foreign force hostile to the home community of the traitor. (Project Summary)
Zur Untersuchung des Phänomens "Verrat" wurde das interdisziplinäres AHRC-Forschungsnetzwerk "Treason: A Global History" gegründet. Prof. André Krischer (Freiburg) und Prof. Mark Cornwall (Southhampton) koordinieren das Netzwerk als Principal Investigators.