Neue FRIAS-Gruppe: "Post-war Periods: Plurality – Temporality – Re/Constructions"
Prof. Dr. André Krischer ist Internal Fellow der neuen FRIAS-Projektgruppe "Post-war Periods: Plurality – Temporality – Re/Constructions". Die Projektgruppe erkundet Möglichkeiten der interdisziplinären Erforschung der Nachkriegszeit aus einer trans-epochalen und trans-kulturellen Perspektive. Eine historisch reflektierte Auseinandersetzung mit Nachkriegszeiten erscheint angesichts aktueller Debatten, insbesondere zum Ukraine-Krieg und zu den bewaffneten Konflikten im Nahen Osten, von hoher Relevanz.
Die Erforschung von Nachkriegszeiten konzentriert sich bislang auf die westliche Geschichte des 20. Jahrhunderts. Seit mehr als einem Jahrzehnt werden intensiv die ‚Nachkriege‘ des Ersten Weltkriegs und die militärische, wirtschaftliche und mentale Demobilmachung untersucht. In Deutschland steht ‚Nachkriegszeit‘ aber vor allem für die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg. Der Begriff fungiert als wichtige Referenz politischer Diskurse und der Erinnerungskultur. In deutlichem Kontrast hierzu steht die Vernachlässigung von Nachkriegszeiten in anderen Epochen. Diese Leerstelle hat maßgeblich dazu beigetragen, dass der Terminus der Nachkriegszeit bislang kaum als ein allgemeinerer Forschungsbegriff verwendet wird. Wie z. B. die Vereinbarungen des Westfälischen Friedens von 1648 umgesetzt wurden, wie die Übergangzeit von einem dreißigjährigen Krieg zum Frieden und die damit verbundenen Herausforderungen, Möglichkeiten und Gefährdungen wahrgenommen wurden, hat die Forschung bislang kaum beschäftigt. Dies gilt analog auch für viele andere Kriege (nicht nur) der Vormoderne. Die Kriegs- und Nachkriegszeiten des 20. und 21. Jahrhunderts wurden wiederum derart minutiös erforscht, dass die enorme Spezialisierung und Fragmentierung des Feldes den Blick auf nachkriegsübergreifende Zusammenhänge und Prozesse verstellt. Selbst die vergleichende Forschung zu den offensichtlich verflochtenen Nachkriegszeiten nach 1918 und nach 1945 hält sich in überraschend engen Grenzen.
Was daher aussteht, sind vergleichend und interdisziplinär ausgerichtete sowie theoretisch fundierte Ansätze zur Erforschung von Nachkriegszeiten in epochenübergreifender und transkultureller Perspektive, die den Fokus über die europäischwestlichen Erfahrungen des 20. und frühen 21. Jahrhunderts hinaus erweitern und die zugleich die Möglichkeit eröffnen, diese aus anderen und weiteren Blickwinkeln neu zu betrachten. Dazu möchten wir dazu auf theoretischer, konzeptioneller und begrifflicher Ebene die Grundlagen schaffen. Neben der Konstituierung eines neuen Forschungsfelds, das in vielfältiger Weise Interesse und Kompetenzen von Forschenden in Freiburg aufnimmt, erscheint eine historisch reflektierte Auseinandersetzung mit Nachkriegszeiten für aktuelle Herausforderungen von hoher Relevanz zu sein. In der Ukraine und im Nahem Osten prägen historische Erfahrungen mit Nachkriegszeiten die Erwartungen darüber, wie eine Nachkriegszeit aussehen kann und soll – und dies beeinflusst wiederum den Blick auf aktuelles Kriegsgeschehen, aber auch dessen Verlauf. (Projektbeschreibung)